Das Geheimnis eines erfüllten Lebens | Warburg zum Sonntag

Veröffentlicht am 23.07.2024 10:20

Das Geheimnis eines erfüllten Lebens

Dr. Martha Schubert und Pfarrer i.R. Dietmar Wegner nach einem Konzert in der evangelischen Kirche am 28. August 2022, ihrem 99. Geburtstag. (Foto: Doris Dietrich)
Dr. Martha Schubert und Pfarrer i.R. Dietmar Wegner nach einem Konzert in der evangelischen Kirche am 28. August 2022, ihrem 99. Geburtstag. (Foto: Doris Dietrich)
Dr. Martha Schubert und Pfarrer i.R. Dietmar Wegner nach einem Konzert in der evangelischen Kirche am 28. August 2022, ihrem 99. Geburtstag. (Foto: Doris Dietrich)
Dr. Martha Schubert und Pfarrer i.R. Dietmar Wegner nach einem Konzert in der evangelischen Kirche am 28. August 2022, ihrem 99. Geburtstag. (Foto: Doris Dietrich)
Dr. Martha Schubert und Pfarrer i.R. Dietmar Wegner nach einem Konzert in der evangelischen Kirche am 28. August 2022, ihrem 99. Geburtstag. (Foto: Doris Dietrich)

Dr. Martha Maria Schubert gehört mit ihren über 100 Jahren zu den ältesten Einwohnerinnen Bad Driburgs. An einem sommerlichen Nachmittag erzählte sie sehr anschaulich aus ihrem Leben. Nach ihrem Geburtstag gefragt antwortete sie spontan: „Am gleichen Tag wie Goethe, am 28. August.“ Im Jahr 1923 erblickte Martha in Hemer (Kreis Iserlohn/Sauerland) das Licht der Welt. „Ich war die jüngste von vier Geschwistern.“ Zur Familie zählten zwei ältere Schwestern und ein Bruder. „Wir hatten eine sehr schöne Kindheit. Viel Zeit verbrachten wir in unserem großen Garten. Seit meinem 9. Lebensjahr spiele ich Klavier.“ Sie wuchs in einem christlich geprägten Elternhaus auf. Ihr Vater war Angestellter und ihre Mutter kümmerte sich um die Familie.

Mit 17 Jahren erhielt sie in Iserlohn ihr Abitur. Ihr Vater riet ihr, Sprachen zu lernen. So ging sie nach Leipzig ans Pädagogium für Fremdsprachen und legte dort die Dolmetscherprüfung für englische Berufsreife ab. „Ich bewarb mich danach bei den „Junkers Flugzeug- und Motorenwerken“ in Dessau als technische Übersetzerin für Englisch und Französisch. 1944 kehrte sie in ihr Elternhaus nach Hemer zurück und studierte ein Semester Sprachen an der Universität Gießen, bevor alle Universitäten geschlossen wurden. „Nach dem Krieg arbeitete ich als Dolmetscherin bei der Stadtverwaltung Iserlohn. Mit 24 Jahren reifte mein Wunsch, als Missionsärztin zu arbeiten. So bewarb ich mich zum Medizinstudium, das ich in Mainz, Innsbruck, Marburg und Paris absolvierte. „Von allen Städten gefiel mir Paris besonders.“ Die Studiengebühren waren hoch und so ist sie ihren Eltern unendlich dankbar für die große finanzielle Unterstützung.

In Marburg legte sie das medizinische Staatsexamen ab und in Mainz schrieb sie ihre Dissertation. Als Assistenzärztin arbeitete sie in Wuppertal und Remscheid in den städtischen Krankenanstalten. Hier lernte sie ihren Mann Dr. Wolfgang Schubert kennen. 1959 heirateten sie in Hemer und 1960 wurde ihr erster Sohn Thomas geboren.

Ihre Augen beginnen zu leuchten, als sie auf ihren nächsten aufregenden Lebensabschnitt angesprochen wird. „Meine große Vision war immer, den Menschen zu helfen. Denn Leib und die Seele muss man immer im Blick haben- sonst geht es nicht.“ 1960 erhielten sie und ihr Mann eine Anfrage der „Rheinischen Missionsgesellschaft“ aus Barmen, ob sie als Missionsärzte nach Sumatra ausgesandt werden wollen. „Wir mussten nicht überlegen, denn es war schon seit langem unser tiefer Wunsch. Wir waren uns bewusst, dass es nicht leicht sein wird. Missionsärzte setzen oft ihre eigene Gesundheit aufs Spiel. Wir ließen alles hinter uns und brachen auf zusammen mit unserem kleinen Sohn Thomas.“ Im Juli 1962 ging es auf große Reise. 15 Überseekisten gehörten zum Gepäck. Medan ist die Hauptstadt Nordsumatras. Ihr neues Zuhause war in Balige. „Wichtig war zunächst, die indonesische Sprache zu lernen. Sie ist nicht sehr schwierig. So heißt zum Beispiel Danke: „Terima kasih“ oder „Horas“ als Begrüßungsruf mit der Bedeutung „Bleibe gesund“. Im Oktober 1962 wurde unser Sohn Marcus in Indonesien geboren.“ Nun war die Familie komplett. Eine glückliche und herausfordernde Zeit begann. Dr. Wolfgang Schubert wurde von den Patienten sehr geschätzt. Dann kam plötzlich alles ganz anders. Im Herbst 1965 begann in Indonesien ein blutiger Bürgerkrieg. Eile war geboten. „Wir fassten den schweren Entschluss, zu flüchten und nach Deutschland zurückzukehren. In kürzester Zeit und mit einer Überseekiste verließen wir auf abenteuerlichen Wegen das Land.“

1970 erhielt ihr Mann eine Oberarztstelle in Bad Driburg und seitdem wohnt sie am Rande von Bad Driburg mit einem herrlichen Blick in die Landschaft. Gern sitzt Dr. Martha Maria Schubert auf ihrem Balkon und schaut von dort Richtung Alhausen. Zu ihren Hobbys zählen die Musik und das Lesen. „Ich habe bis zu meinem 92. Lebensjahr mit Kantor Torsten Seidemann hier bei mir zu Hause vierhändig Klavier gespielt. Das war eine Wucht! Viele Jahre sang ich mit großer Freude in der Kantorei Bad Driburg. An viele Auftritte und Fahrten ins Ausland erinnere ich mich sehr gern.“ Bücher begleiteten sie ein Leben lang. Leider ist ihre Sehkraft jetzt stark eingeschränkt, aber mit Hilfe eines Vergrößerungsapparates kann sie Wichtiges lesen. Gern nimmt sie freitags am Literaturcafé teil. Hier stellt Pfarrer i.R. Dietmar Wegner interessante Bücher vor. Um geistig fit zu bleiben, nimmt sie mittwochs am Gedächtnistraining teil.

„Ich bin sehr dankbar für mein Leben und möchte so lange wie möglich in meinem Zuhause bleiben. Pflegekräfte der AWO kommen regelmäßig und zum Mittag gibt es „Essen auf Rädern“. Meine Putzfrau sorgt ebenso für mich.“

Ihr ganzer Stolz sind ihre beiden Söhne, Schwiegertöchter und ihre drei Enkelkinder.

An ihrem 100. Geburtstag im letzten Jahr hat ihr Sohn Thomas eine Fahrt mit ihr durch Ostwestfalen unternommen. Kapellen und kleine Kirchen beeindruckten sie sehr. Sie ist gespannt, wohin die Reise in diesem Jahr zu ihrem 101. Geburtstag gehen wird.

Nach ihrem Wunsch befragt musste sie nicht lange überlegen: „Harmonie in der Familie und Frieden auf der Welt.“

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